Von Ute Neumaier, Buenos Aires, veröffentlicht in Tangodanza Nr. 63, Juni 2015
Man muss schon eine gute halbe Stunde in der Subtex¹ oder im Bus in Kauf nehmen, um am Freitagabend nach Flores zu kommen. Aber der Ausflug lohnt sich, denn um 23 Uhr öffnet La Baldosa im Herzen dieses Stadtteils die Türen. Seit über zwölf Jahren zieht sie unter dem Motto Una auténtica Milonga de Buenos Aires Besucher aus Nah und Fern an. Das Ambiente besticht trotz der hellen Beleuchtung mit viel Herzlichkeit, einer der größten Tanzflächen von Buenos Aires, guter Musik und Tango auf höchstem Niveau.
La Baldosa ist eine Milonga Salonera und gehört zusammen mit dem Sunderland Club und dem Sin Rumbo in Villa Urquiza zu den außerhalb des Stadtkerns gelegenen Milongas de Barrio, in denen ein eleganter Salon-Tango gepflegt wird. Nicht umsonst finden sich hier junge und nicht mehr ganz so junge Profitänzer und jene ein, die auf dem Weg sind, es zu werden. Denn hier können die Saloneros im Gegensatz zu den oft sehr beengten Milongas im Stadtkern auch mal raumgreifende Schritte tanzen, ohne sich in die Quere zu kommen.
Die Organisatoren sind seit der Eröffnung 2002 die Tangolehrer Gabriela Elias und Eduardo Pérez sowie der Geschäftsmann Horacio Fiorentino und seine Frau Alba. Am Anfang, so erinnern sie sich, kamen nur ältere Leute, dann auch Jüngere, schließlich folgten Profitänzer und Gäste aus aller Welt. Heute ist ihre Milonga über die Grenzen Argentiniens hinaus bekannt.
Zum Erfolg verhalf den Organisatoren eine für die Milongas der damaligen Zeit ungewöhnliche Idee: berühmte Tanzpaare und Orchester auf die Bühne zu holen. Als zum ersten Mal ‘Color Tango“ spielte und Roberto Herrera & Natacha Poberaj dazu tanzten, war der Andrang groß. Zu dem beachtlichen 700 Quadratmeter großen Raum der Baldosa haben im allgemeinen nicht mehr als 500 Personen Zutritt. An jenem Abend stellten sich indessen weit mehr Tangoliebhaber ein.
La Baldosa besucht man am besten in der Gruppe. Es ist keine auf ‘Solos y Solas’ ausgerichtete Milonga, wie sie im Zentrum von Buenos Aires zu finden sind. Wer dennoch lieber alleine kommt, wird von Alba, Gabriela oder Horacio herzlich empfangen und gut platziert.
Das Durchschnittsalter liegt bei 40 Jahren, je nach Event ein bisschen darüber oder darunter. Die Musik ist traditionell und die Tangos stammen aus allen Epochen, nicht nur aus den goldenen Jahren des Genres. DJ ist seit vielen Jahren Eduardo Perez. Er spielt zu 90 Prozent Tango, Vals und Milonga und etwa zehn Prozent Rock, Folklore und Cumbia.
Alba und Horacio können ihren Stolz darüber nicht verbergen, dass La Baldosa Schauplatz eines Videoclips von ‘Gotan Project’ war und in den ersten Jahren der amerikanische Fernsehsender Discovery Channel hier gefilmt hat.
Doch das unvergesslichste aller Events, bei dem kein Auge trocken blieb, so erinnern sich die Organisatoren, war 2005 der Geburtstag der berühmten Tänzerin Carmencita Calderon². Im Alter von 100 Jahren tanzte sie noch wenige Monate vor ihrem Tod zum letzten Mal vor. La Baldosa platzte aus allen Nähten. Weder argentinische noch internationale Pressevertreter ließen sich dieses Stück Tangogeschichte entgehen.
Auch im vergangenen Jahr war die Milonga wieder in aller Munde. Die Veranstalter lobten nämlich ihren ersten eigenen Tanzwettbewerb aus, den Campeonato Baldosa. Stolze Gewinner waren Sebastián Acosta & Lorena Gonzales Cataño, die sich genau zehn Tage später bei der Weltmeisterschaft erneut auf den ersten Platz tanzten und Campeones Mundiales 2014 wurden – Tangoweltmeister Tango Salon!
Für Alba, Gabriela, Eduardo und Horacio gab es in all den Jahren viele Highlights. Doch ihre größte Erfüllung ist es, mit La Baldosa einen Beitrag zur Tangokultur zu leisten. Denn eines ist sich Horacio sicher: Die Realität des Tango findet in der Milonga statt, denn nur hier hört, tanzt, lebt und liebt man den echten Tango.
Adresse: „El Pial“ Ramón L. Falcón 2750 (Flores), Subte: San Pedrito
Reservierung: 4601-7988, 4574 1593, 11-64675858
Eintritt: 70 ARS (Unterricht vor der Milonga inbegriffen)
20:00 bis 21:30 und 21:30 bis 23.00 Unterricht mit wechselnden Lehrern
1 U-Bahn
2 Carmencita Calderon (1905-2005), begann im Alter von 13 Jahren Tango zu tanzen, wurde 1933 Partnerin des legendären ‚El Cachafaz’ und trat im ersten Tango-Tonfilm auf.